RND-Interview mit Andrea Nahles
Frau Nahles, Franz Müntefering hat einmal gesagt, der SPD-Vorsitz sei das „schönste Amt neben Papst“. Sehen Sie das auch so?
Als Frau ist mir der Weg ins Papstamt leider versperrt. Aber Spaß beiseite: Dieses Amt übernehmen zu dürfen, ist eine große Ehre. Und es ist natürlich auch eine beeindruckende Herausforderung.
Sie spüren auch die Last?
Ja, sicher. Es ist eine große Aufgabe.
Geht es für die Sozialdemokraten mit ihrer langen Tradition jetzt um die Existenz?
In den vergangenen Monaten ist mir manchmal mulmig geworden. Wenn das Mitgliedervotum anders ausgegangen wäre, hätten wir vor einem riesigen Problem gestanden. Jetzt überwiegen die Chancen.
Warum das?
Wir können wieder Tritt fassen. Gut regieren und die SPD neu aufstellen – das ist kein Widerspruch, wie manche meinen. Erneuerung geht auch als Regierungspartei. Mit guter Teamarbeit kann uns das gelingen. Wir haben eine gute Regierungsmannschaft und werden jetzt auch das Profil der Partei wieder schärfen.
Wie groß ist die Kluft zwischen Basis und Führung?
Die SPD braucht Zuversicht und Perspektive. Viele an der Basis wollen glauben, dass es besser wird. Aber sie sind skeptisch. Die Lösung kann nur sein, die Mitglieder einzubinden und nicht über ihre Köpfe hinweg zu entscheiden. Wir müssen uns wieder Vertrauen erarbeiten. Ich weiß: Mit einem Fingerschnipp ist das nicht zu machen.
Hat es der SPD in der Vergangenheit nicht auch an einer Kultur des Hinhörens bei Themen gefehlt, die für Wählerinnen und Wähler wichtig sind?
Ich habe mir vorgenommen, nicht länger in den Rückspiegel zu schauen. Wir haben in letzter Zeit genug über die Vergangenheit diskutiert. Davon müssen wir uns freimachen. Wenn wir Zuversicht auch nach draußen erzeugen wollen, fängt das bei uns selbst an. Wir brauchen jetzt einen Neustart – und zwar im Vorwärtsgang.
Mehr Zuversicht wird sicher nicht ausreichen. Wie soll die Erneuerung der SPD konkret aussehen?
Erneuerung bedeutet nicht, dass wir neue Gremien brauchen. Die, die wir haben, müssen überhaupt erst einmal wieder ernst genommen werden. Das ist wichtig. Entscheidend sind aber Inhalte. Die SPD muss wieder die Partei sein, in der die spannenden Zukunftsdebatten geführt werden.
Und das wären?
Wir werden in nächster Zeit in der SPD vor allem über vier große Themen debattieren: Europa und die Rolle Deutschlands in einer zunehmend unsicheren Welt, die Digitalisierung der Arbeitswelt, die Zukunft des Sozialstaats und ein neues Konzept für die Wirtschaftspolitik der SPD. Wir wollen spannende Diskussionen führen und die Menschen begeistern für sozialdemokratische Ideen. Es gilt, Debatten wieder zu führen, die wir lange vernachlässigt haben.
Wie will sich die SPD in der Außen- und Europapolitik neu positionieren?..